„Ein hochinteressanter Markt“ – Stimmen von der jährlichen Russland-Konferenz der IHK Düsseldorf

„Ein hochinteressanter Markt“ – Stimmen von der jährlichen Russland-Konferenz der IHK Düsseldorf

Die diesjährige Russland-Konferenz in der IHK Düsseldorf lief unter dem Motto „Wachstumsbranchen in herausfordernden Zeiten“. In seinem Grußwort wies der Präsident der IHK Düsseldorf, Andreas Schmitz, auf „das enorme Potenzial“ in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und NRW hin, die durch wachsende Innovationskraft gekennzeichnet sind. Miteinander arbeiten und voneinander lernen vor allem in Feldern, die von großer Innovationsdynamik geprägt sind, wie digitale Wirtschaft sei die Devise. „Nord Stream 2 ist für uns ein Baustein einer verlässlichen Energieversorgung“, betonte Schmitz. Es sei „besser durch Handel das gegenseitige Verständig zu stärken als durch Abschottung die gegenseitigen Ressentiments zu bekräftigen“.

Der Leiter der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes Miguel Berger betonte die „positive Grundstimmung in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen“ in turbulenten Zeiten, und dass es „Anlass zum Optimismus“ gibt. In den letzten zwei Jahren habe sich der deutsch-russische Dialog auf vielen Ebenen intensiviert und es sei ein kräftiger Anstieg im bilateralen Handeln zu beobachten. „Wir haben aber noch nicht das Niveau der Jahre vor 2013 erreicht“. Deutschland bleibe für Russland der zweitwichtigste Handelspartner. Dieses Jahr findet das Deutschland-Jahr in Russland statt. Man wünsche sich auf der deutschen Seite mehr Mut zu Strukturreformen und Liberalisierung der Wirtschaft in Russland. Das Potenzial in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sei sehr hoch. Berger ging auch auf die amerikanischen Sanktionen ein: „Wir lehnen grundsätzlich extraterritoriale Sanktionen ab! Die Sanktionen gegen Nord Stream 2 überschreiten eine rote Linie“, sagte er mit absoluter Deutlichkeit. Die Energiebeziehungen zwischen Russland und Deutschland seien ein Stabilitätsfaktor. Doch in der Frage, ob es einen Neuanfang in der deutschen Russlandpolitik gäbe, betonte Berger das Fragezeichen: Die Sanktionen gegen Russland bleiben bestehen, solange es die Ursache dafür bleibt, und darüber gibt es einen Konsens in der EU. Der Schlüssel für die Lösung liegt in Moskau, so Berger.

Der Vorsitzende des Vorstandes der Deutsch-Russischen Auslandskammer, Matthias Schepp, fing mit Positiven an: Die russische Schuldenquote ist die zehntniedrigste in der Welt, die Inflation ist so niedrig wie noch nie nach dem Zerfall der Sowjetunion, politisch ist Russland stabil und außenpolitisch äußerst erfolgreich. Moskau ist zu einer dynamischen Metropole geworden, mit Bürgerbüros, von denen Deutschland nur träumen kann und mit Scheremetjewo, der als pünktlichster Flughafen der Welt gilt. Die russische IT-Branche entwickele sich rasant, wovon auch die deutsche Wirtschaft profitiere. Doch e stelle sich die Frage, wenn alles so toll sei, warum das Wirtschaftswachstum in Russland so niedrig ist (etwa 2 Prozent). „Im internationalen Vergleich fällt also Russland zurück“, stellte Schepp fest. Und das sei nicht nur auf die Sanktionen zurückzuführen. Als Gründe nannte er „postsowjetische Krankheiten“: niedrige Rechtssicherheit, Korruption und Vetternwirtschaft und die immer größer werdende Rolle des Staates.

Der stellvertretende Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn, Valerij Sidorow betonte, dass die russische Wirtschaftspolitik vor großen Herausforderungen steht, nämlich  Verbesserung des Investitionsklimas, Schaffung besserer Bedingungen für den Mittelstand, Digitalisierung der Wirtschaft, Steigerung der Produktivität durch den Einsatz neuer Technologien und Infrastrukturentwicklung. Auch Nationalprojekte im sozialen Bereich stehen an wie die Armutsbekämpfung. Deutschland gehöre zu den wichtigsten Handelspartnern Russlands. Zwischen Januar und Oktober 2019 erreichte das gesamte Handelsvolumen zwischen beiden Ländern 43,8 Milliarden US-Dollar. Trotzt dem Sanktionsdruck realisieren Deutschland und Russland große wirtschaftliche Projekte im Energiebereich. „Dabei schätzen wir die verantwortungsvolle Position der Bundesregierung bei Nord Stream 2“, betonte Sidorow.

Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf Thomas Geisel erinnerte an die Worte von Helmut Schmidt: „Solange man Geschäfte miteinander macht, schießt man nicht aufeinander“. Dich heute stünden wir von einem neuen Kalten Krieg und Wirtschaften schotten sich eher ab als man Vorteile vom internationalen Handel sieht. In Bezug auf die Sanktionen gegen Russland sagte er, man solle sich langsam überlegen, „ob wir wirklich damit die Ziele erreichen können, die damit verknüpft waren“. Man habe damit keine Meinungsänderung im Kreml beigeführt. Er reise sehr oft nach Moskau, das Partnerstadt von Düsseldorf ist, und man gewinne nicht den Eindruck, dass die russische Hauptstadt unter den Sanktionen leide. Ganz im Gegenteil, man könne in vieler Hinsicht Beispiel an der Entwicklung der Stadt nehmen unter anderem was die Digitalisierung angeht. Thomas Geisel appellierte daran, neue Wege im Verhältnis zu Russland zu gehen auch vor dem Hintergrund, dass es viele gemeinsame und globale Herausforderungen gibt wie der imperiale Aufstieg von China.

In anschließenden Podiumsdiskussionen haben Vertreter aus verschiedenen Konzernen ihre Erfahrungen und Erfolgsgeschichten in Russland mit den Konferenzteilnehmern geteilt. Maschinen- und Anlagebau, Chemie und IT-Unternehmen wurden auf der diesjährigen Konferenz in den Fokus gestellt. Ein wichtiger Impuls war: sich einen strategischen lokalen Partner zu suchen und genau zu prüfen, sich abzusichern, die Sanktionsliste zu berücksichtigen und sich per Vorkasse bezahlen zu lassen. Auch die Chancen der deutschen Wirtschaft im russischen E-Commerce-Markt, Herausforderungen für Exporteure im Russlandgeschäft, Besonderheiten der Lokalisierung in Russland und Möglichkeiten der Kooperation mit der Eurasischen Wirtschaftsunion wurden erläutert.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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