Sollte Belarus die Gaslieferungen über die Jamal-Europa-Pipeline unterbrechen, würde dies sowohl die Energiesicherheit Europas als auch die Beziehungen Russlands zu Belarus beeinträchtigen, so der russische Präsident Wladimir Putin. Zuvor hatte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko der EU gedroht, den Gastransit einzustellen, falls es zu einer Ausweitung der Sanktionen aufgrund der Migrationskrise komme. Putin sagte, dass „nichts Gutes dabei herauskommen würde“, aber dass Belarus technisch gesehen diese Möglichkeit habe.
„Dies würde dem europäischen Energiesektor großen Schaden zufügen und nicht zur Entwicklung unserer Beziehungen zu Belarus beitragen“, sagte Wladimir Putin im öffentlichen TV-Sender Russland 24. Die Gasabschaltung wäre ein Verstoß gegen den Transitvertrag. Es sei das erste Mal, dass er von einem solchen Schritt höre, und Lukaschenko habe ihn bisher nicht angedeutet. „Aber er könnte, denke ich. Auch wenn das zu nichts Gutem führt, und ich werde sicherlich mit ihm darüber sprechen.“
Lukaschenko hatte auch mit dem Stopp des Transits von Waren in die EU auf belarussischen Straßen gedroht. „Wenn wir sie für die Polen und zum Beispiel für die Deutschen schließen, was passiert dann? Wir dürfen bei der Verteidigung unserer Souveränität und Unabhängigkeit nicht vor nichts Halt machen“.
Der russische Präsident erinnerte an das Jahr 2008, als das Transitland Ukraine einen Teil der russischen Lieferungen für die Verbraucher in Europa nach Streitigkeiten über Gas- und Transitpreise blockierte.
Putin zufolge seien die Staats- und Regierungschefs von Belarus und Deutschland bereit, über die Migrationskrise zu verhandeln. „Ich hoffe, dass dies in naher Zukunft geschehen wird – das ist das Wichtigste, denn die Migranten wollen in erster Linie nach Deutschland“, sagte er.
Der belarussische Politologe Artem Schraibman sagte gegenüber der russischen Zeitung Kommersant, ihm erscheine ein solcher Schritt „unrealistisch“. „Aber es ist nicht klar, wann Lukaschenko blufft und wann nicht. Er sprach die Drohung über Migranten zehn Jahre lang aus. Und all die Jahre glaubte ihm niemand. Und jetzt ist es Realität.“ Schraibman beschreibt die Taktik des belarussischen Präsidenten mit dem Versuch „den Gegner glauben zu lassen, dass Sie zu allem fähig sind und es ist besser, sich nicht mit Ihnen anzulegen“.
Die Migrationskrise an der weißrussischen Grenze zu Polen und Litauen dauert schon seit Juli an, aber diese Woche ist sie zu einem wichtigen Thema in den Weltnachrichten geworden. Mehrere tausend Flüchtlinge, vor allem irakische Kurden, haben sich auf der weißrussischen Seite angesammelt, und versuchen, über die polnische Grenze nach Deutschland zu gelangen.
Brüssel ist von den Drohungen Lukaschenko bisher nicht sonderlich beeindruckt. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bezeichnete sie als Einschüchterungsversuche. Die EU wirft dem oft als «letzten Diktator Europas» titulierten Lukaschenko vor, gezielt Migranten aus Krisengebieten einfliegen zu lassen und weiter in Richtung Polen zu schleusen.
Die Krise in den Beziehungen zwischen Belarus und der Europäischen Union entwickelt sich weiter. Die immer radikaleren Drohungen beider Seiten beginnen sich direkt auf die Interessen Russlands auszuwirken. Polen hat Sanktionen gegen die russische Fluggesellschaft Aeroflot vorgeschlagen, die angeblich an der Organisation der Migrantenströme beteiligt ist. Der Kreml unterstrich, dass Russland nichts mit der Krise in der Grenzregion zu tun habe. Keine russische Fluggesellschaft sei daran beteiligt, „diese Leute zu transportieren“, so Putin.
Am Samstag teilte die polnische Polizei mit, dass sie die Leiche eines 20-jährigen syrischen Staatsangehörigen gefunden hat – der fünfte Fall dieser Art seit Beginn der Krise. Polnische Grenzschutzbeamte haben auch berichtet, dass Belarus Laserstrahlen und Stroboskoplampen eingesetzt hat, um sie zu blenden und gleichzeitig die Grenzzäune zu zerstören.
Immer wieder brechen einzelne Migranten durch die Grenzlinie. Offenbar werden sie von belarussischen Grenzbeamten dazu aufgefordert. Migranten berichteten, dass sie von polnischen Grenzschützern regelmäßig wieder nach Belarus zurückgeschickt werden. Eine Chance auf einen Asylantrag haben sie nach eigener Aussage nicht.
Das polnische Parlament hatte diese sogenannten Pushbacks jüngst erlaubt, obwohl sie gegen EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Demnach hätten Menschen auf europäischem Boden das Recht auf ein faires Asylverfahren.
[hrsg/russland.NEWS]
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