Datscha im Wandel der Zeit: Amnestie, Verkauf und Vermietung

Datscha im Wandel der Zeit: Amnestie, Verkauf und Vermietung

Russen verkaufen massiv Landhäuser und Datschen, berichteten Analysten von Avito Real Estate. Die Experten glauben, dass dies eine der Folgen der Datscha-Amnestie ist, unter deren neuen Regeln in naher Zukunft für die Ferienhäuser Steuern fällig werden. Die Zahl der Menschen, die ein Sommerhaus verkaufen wollen, wächst rapide. Die Zahl der Käufer nimmt ab. Der Kaufpreis sinkt, im ersten Quartal dieses Jahres die Anzeigenpreise auf verschiedenen Immobilienportalen ebenso. Allein Avito meldet rund 130.000 Anzeigen für den Verkauf oder die Vermietung von Ferienhäusern.

Der Wirtschaftswissenschaftler Artem Ermolaev erklärte gegenüber ura.ru, dass die Datscha-Amnestie die vereinfachte Registrierung des Eigentumsrechts von Grundstücken und Wohnhäusern gewährleisten soll. Ein vereinfachtes Verfahren wurde bereits 2006 eingeführt und seitdem mehrmals verlängert. Der Staat will die Eigentümer von Datschas und anderer Gebäude aus dem Schattenbereich holen und sie zwingen, die genauen Größen und Unterteilungen zu benennen. Für die Behörden in einigen Regionen liegt etwa die Hälfte der Datschas noch in der legalen Grauzone. Ab jetzt werden „alle Nichtwohngebäude, die sich auf einem Landgrundstück befinden, als wirtschaftlich genutzte Gebäude angesehen und unterliegen dann der Grundsteuer“, informierte Ermolaev. Da müssen in einigen Fällen erhebliche Steuern bezahlt werden, so der Experte.

Wenn jemand keine Dokumente für das von ihm genutzte Land besitzt, kann das Grundstück als Niemandsland und das Haus als Schwarzbau deklariert werden. In diesem Fall werden die Behörden selbst den Boden und das Haus in ihre Katasterregister aufnehmen. Wenn der Eigentümer innerhalb von fünf Jahren nicht erscheint, wird die Immobilie von den lokalen Behörden als eigentümerlos eingestuft.

„Der Hauptgrund, warum Menschen ihre eigenen Häuser nicht aus der legalen Grauzone bringen möchten, ist die Abneigung gegen steigende Grundsteuern. Die Steuer für ein Landhaus mit einer Fläche von 100 Quadratmetern und einem ungefähren Katasterwert von 5 Millionen Rubel beläuft sich auf etwa 2.500 Rubel pro Jahr. Darüber hinaus können mehr als 20.000 Rubel für die Bezahlung der Dienstleistungen von Vermessungsingenieuren und die Ausstellung verschiedener Zertifikate anfallen“, ergänzte Ermolaev.

Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Sergej Baraschkow wird die Datscha nicht mehr als ein Ort billiger Ruhe wahrgenommen: „Die Gesamtkosten für die Unterhaltung eines Landhauses sind ziemlich beeindruckend: Immobiliensteuer, Ausgaben für Müllabfuhr, Heizung, Strom, Wasser und Bewachung. Deshalb entscheiden sich jetzt viele für die Erholung auf Campingplätzen.“ Konstantin Tolkatschow vom russischen Verbraucherschutzzentrum macht die wirtschaftliche Situation dafür verantwortlich, dass viele Menschen durch den Verkauf ihrer Datscha für zusätzliches Geld in der Haushaltskasse sorgen wollen.

Dennoch spielt der regelmäßige Datscha-Besuch mit seinen Spaziergängen an der frischen Luft und den Gesprächen unter Nachbarn weiterhin eine große Rolle im Leben der Großstädter. Der Rückgang der landwirtschaftlichen Bedeutung der Datscha begann zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als es bei Moskauer und St. Petersburger Familien zum guten Ton gehörte, ein Landhaus für die Sommersaison sein Eigen zu nennen, ohne dabei im Garten oder am Haus arbeiten zu müssen. Ein Jahrhundert später wiederholt sich die Geschichte. Die Stadtbewohner von heute, vermehrt ermüdet vom Trubel der Megametropolen, sind auf der Suche nach einem Haus im Grünen für den Sommer oder, besser noch, für jedes Wochenende.

Folglich wird die kurzfristige Vermietung eines Sommerhauses auf dem Land immer beliebter. Familien mieten nicht mehr für den ganzen Sommer oder einen Monat, sondern nur noch für mehrere Tage. Das belegen die Zahlen von Avito Real Estate: Im Segment der kurzfristig mietbaren Häuser stieg dieses Jahr das Angebot um 12 Prozent und die Nachfrage um 44 Prozent. Verstärkt wird dieser Trend besonders durch junge Russen, die aufgrund der steigenden Kosten für eine Datscha immer häufiger zweifeln, ob sie ein Sommerhaus für immer brauchen. Die heutige Jugend kennt die Probleme ohne die Versorgung mit selbst angebauten Lebensmitteln nicht mehr, ist nicht an landwirtschaftliche Arbeit gewöhnt und verspürt den Wunsch zu reisen. Niemand möchte sich langfristig an einen Ort binden. „Den jungen Menschen von heute sind Datschas fast gleichgültig“, sagt Alexei Zubets, Vizerektor der Finanzuniversität der russischen Regierung.

[hub/russland.NEWS]

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