Coronavirus-Krise und Arbeitsmarkt – langfristig gesehen ein Aufschwung

Coronavirus-Krise und Arbeitsmarkt – langfristig gesehen ein Aufschwung

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Arbeitsmarktsituation in Russland? Was erwartet sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber? Eine Juristin klärt auf.

Laut Vize-Premierministerin Tatiana Golikova hat sich die Anzahl der Arbeitslosen in Russland seit Anfang März fast verdoppelt. Rund 1,6 Millionen Personen haben sich bei der Beschäftigungsbehörde registriert.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzt die Regierung wirtschaftliche Maßnahmen um, die den Stellenabbau abfedern sollen, und zwar sollen kleinen und mittelständischen Unternehmen aus den von der Corona-Krise am stärksten betroffenen Branchen Kredite für die Auszahlung von Gehältern zu einem Zinssatz von 2 Prozent gewährt werden. Wenn das Unternehmen es schafft, 90 Prozent der Belegschaft zu behalten, wird der Staat die Rückzahlung einschließlich Zinsen übernehmen, bei 80 Prozent übernimmt der Staat die Hälfte des Kredits samt Zinsen. Auch andere Maßnahmen, unter anderem steuerlicher Natur, werden ergriffen, um die Unternehmen selbst und somit auch deren Mitarbeiter zu unterstützen.

Vom Arbeitsmarkt kommen aber auch positive Nachrichten. Eine Reihe von Berufen wird stärker am Markt benötigt als bisher. Zu den Top-5 gehörten im April: Fahrer, Wachschutzmitarbeiter, Ladearbeiter, Verkäufer und Versandmitarbeiter. Im Bereich des Top-Managements sind laut Headhuntern Krisenmanager und Verkaufsleiter gefragt.

In den verschiedenen Regionen Russlands ist die Situation unterschiedlich. In 25 russischen Regionen ist die Anzahl der ausgeschriebenen Stellen gestiegen, in 60 Regionen ist ein Rückgang zu verzeichnen. Die Region mit den meisten neu geschaffenen Positionen ist das Gebiet Moskau, die Stadt Moskau belegt den zweiten Platz.

Welche Lösungen können Arbeitgeber anwenden

Auch vor der Vorstellung der letzten Regierungsmaßnahmen haben sich die Unternehmen Gedanken darüber gemacht, wie sie vor dem Hintergrund der schrumpfenden Umsätze ihre Fachkräfte behalten können. Denn spätestens aus den letzten zwei Krisen 2008 und 2014 haben die Unternehmer gelernt, dass es wesentlich teurer ist, eine Belegschaft neu zu schaffen und auf das gewünschte Effizienzniveau zu bringen, als bewährte Arbeitskräfte zu halten.

Eine gangbare Lösung könnte die Teilzeit sein. Der Arbeitgeber bietet seinen Mitarbeitern an, weniger Stunden in der Woche zu arbeiten. Die monatlichen Gehälter sinken, aber man gewinnt Zeit, die man für Kinder und Familie, Hobby und Gesundheit nutzen kann. Wenn dies mit dem Übergang zum Home-Office einhergeht, könnte es für viele eine gute Möglichkeit sein, die eigene Work-Life-Balance zu optimieren. Das gilt natürlich in erster Linie für Büromitarbeiter und Fachkräfte, die kreative Berufe ausüben.

Aber auch der Einzelhandel baut seine Strategie um. Jeden Tag bieten mehr und mehr Einzelhändler ihre Waren im Internet an. Man ist erstaunt über die Geschwindigkeit, mit der sie ihre Apps kreieren. Es geht hier um die Umprofilierung des Personals, die manchmal sogar in ein und demselben Unternehmen stattfindet.

Eine weitere Option, die die Arbeitgeber nutzen können, ist die Verringerung der Bürofläche, denn die Miete ist der größte Kostenblock im Budget jedes Unternehmens. Die Reduzierung dieser Kosten kann eine im Personalkostenbereich fehlende Liquidität schaffen.

Während der Ausgangssperre haben viele Arbeitnehmer gelernt, von zu Hause zu arbeiten, moderne Kommunikationsmittel zu nutzen, und die Führungskräfte haben gelernt, ihre Teams erfolgreich aus der Ferne zu managen. Auch nach der Aufhebung der Ausgangssperre und der Abschwächung der Pandemie werden viele Unternehmen im Home-Office bleiben.

Leider wird es Unternehmen geben, denen keine dieser Optionen helfen wird. Sie werden ihre Belegschaft kürzen oder ihre Tätigkeit komplett einstellen müssen.

Ausblick

Wie der Arbeitsmarkt nach der Normalisierung der Situation aussehen wird, wird davon abhängen, wie lange die Sperrmaßnahmen noch andauern und welche Maßnahmen vom Staat noch eingeführt werden.

Kurzfristig, bis ein Impfstoff gegen COVID-19 erfunden, getestet und auf den Markt gebracht wird, wird die Nachfrage nach Personal zurückgehen, mit Ausnahme der oben erwähnten Berufe.  Eine Ausnahme werden auch Fachkräfte im IT-Support bleiben, die die Funktionsfähigkeit der Unternehmen in der neuen Umgebung gewährleisten sollen. Softwareentwickler sind ebenfalls nicht von der Krise betroffen. Die Pharma-Industrie benötigt Personal, ebenso die Baubranche. Dies ist nicht nur mit der Errichtung neuer Krankenhäuser verbunden: In der Bauindustrie herrscht ein großer Mangel an Arbeitskräften, der durch die Krise lediglich verschärft wurde.

Mittelfristig, sobald sich die Situation stabilisiert hat, wird Nachholbedarf vorliegen – wir warten also auf einen Aufschwung!

EKATERINA MOROZOVA

Leiterin der Personalabteilung, Rödl & Partner, Moskau

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