Die Top Manager in Russland stehen ihren westlichen Kollegen im nichts nach. Zumindest, was ihre Gehälter anbelangt. Doch mit welchen Risiken ist die Position eines Generaldirektors in Russland verbunden? Ein Jurist klärt auf.
Wie in Deutschland kann man in Russland von einer Innen und Außenhaftung des Geschäftsführers (des Generaldirektors) sprechen. Die Außenhaftung des Generaldirektors ist im Art. 61.11 InsG RF (Insolvenzgesetz) verankert. Danach haftet der Generaldirektor, soweit das Vermögen der insolventen Gesellschaft zur Tilgung aller Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern durch Verschulden des Generaldirektors nicht ausreicht. Dazu gehört auch die Haftung für ausstehende Steuerzahlungen.
Die Rechtsgrundlage für die Innenhaftung des Generaldirektors ist umstritten. Wie jeder Arbeitnehmer haftet er nach Maßgabe des Art. 277 ArbGB RF. Die Haftung ist der Höhe nach nicht beschränkt. Die Durchsetzung einer Schadenersatzforderung ist jedoch wegen der Arbeitnehmerstellung an mehrere Formalitäten der Art. 193, 238 ArbGB RF gebunden. Klagen sind in diesem Fall vor dem allgemeinen Zivilgericht zu erheben. Die Verjährungsfrist kann u.U. nur einen Monat betragen.
Der Generaldirektor kann auch nach Maßgaben des Art. 53.1 ZGB RF als Organ der Gesellschaft – zivilrechtlich – haften. Wegen der deutlich besseren Erfolgsaussichten für die Gesellschaft ist dieser Weg weiter verbreitet. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab dem Zeitpunkt. Den Maßstab für die Haftung stellt die Pflicht dar, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (redlich gutgläubig und vernünftig) im Interesse der Gesellschaft zu handeln, Art. 53.1 ZGB.
Der Generaldirektor haftet soweit wegen seines Tuns/Unterlassens die Befriedigung der Gläubigerforderungen gegen den Insolvenzschuldner nicht möglich ist. Das Verschulden des Generaldirektors wird vermutet, wenn durch ihn abgeschlossen Rechtsgeschäfte die Rechte der Gläubiger wesentlich eingeschränkt oder verletzt haben, die Rechnungslegungsunterlagen fehlen oder unglaubhaft sind, eine steuerliche Ordnungswidrigkeit oder Straftat vorliegt, sonstige von Gesetzes wegen aufzubewahrende Unterlagen nicht auffindbar sind oder die Eintragungen im EGRUL unrichtig sind.
Bestehen aber arbeitsrechtliche Haftungsbeschränkungen für den Generaldirektor wie für einen Arbeitnehmer?
Die Haftung des Generaldirektors ist gemäß Art. 277 ArbGB RF der Höhe nach – im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern – nicht beschränkt. Die Durchsetzung der Schadensatzansprüche ist jedoch an die Erfüllung der strengen Formalitäten der Arbeitnehmerhaftung, Artt. 193, 238 ff. ArbGB RF gekoppelt. So hat der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach der Feststellung des Schadenseintritts den Arbeitnehmer anzuhören. Erst dann darf entschieden werden, ob Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Das Recht, Schadensersatzforderungen gegen die Gehaltsforderungen des Arbeitnehmers zu verrechnen, ist gesetzlich sehr stark eingeschränkt. Die Verrechnung ist nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers zulässig. Wenn die Schäden ein Monatsgehalt übersteigen und der Arbeitnehmer mit der Schadensregulierung nicht einverstanden ist, muss der Arbeitgeber klagen.
Wie die aktuelle Rechtsprechung zeigt, können Schadenersatzansprüche gegen den Generaldirektor auf Grundlage des Art. 53.1 ZGB RF auch mehrere Jahre nach seiner Abberufung gelten gemacht werden. Es kommt nur auf den Zeitpunkt an, in welchem man über das schädigende Ereignis Kenntnis erlangt hat. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen.
Mit dem Generaldirektor ist nach russischem Recht kein Dienstvertrag, sondern ein Arbeitsvertrag abzuschließen. Es gibt jedoch eine Diskussion, die Rechtsgrundlage für die Anstellung des Generaldirektors komplett ins Zivilrecht überzuführen, also als einen Dienstleistungsvertrag sui generis auszugestalten.
Grundsätzlich trennt man in Russland die Organstellung (Befugnisse) und die arbeitsrechtliche Stellung (Rechte und Pflichten) des Generaldirektors voneinander. Bei der Einstellung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird diese Trennung jedoch ausgehebelt. Die Bestellung des Generaldirektors ohne Arbeitsvertrag erfüllt den Tatbestand einer nicht ordnungsgemäßen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses nach Art. 5.27 Abs. 1 OWiG RF. Das Arbeitsverhältnis ist gemäß Art. 278 Abs. 1 ArbGB im Zeitpunkt der Beendigung der organschaftlichen Stellung (Abberufung) zu beenden. Sollte man dem Generaldirektor die Befugnisse ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entziehen, stellt dies die Verletzung seines durch die Verfassung garantierten Rechts auf Arbeit dar. Ohne organschaftliche Stellung kann er seine kraft des Arbeitsvertrages verliehenen Befugnisse nicht ausüben. Die Fortgeltung des Arbeitsverhältnisses bzw. eine zahlende Karenz (Gehaltsfortzahlung nach der Beendigung) kennt das russische Arbeitsrecht nicht. Weder steuerlich noch buchhalterisch lassen sich solche Aufwendungen in Russland erfassen.
Kann man das Arbeitsverhältnis mit dem Geschäftsführer beenden, auch ohne einen Kündigungsgrund?
Nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichts ist eine absolut willkürliche grundlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Generaldirektor nach Art. 278 Abs. 1 ArbGB RF nicht statthaft. Die Gründe können dem Gericht plausibel dargestellt werden. Als Gründe dürfen z.B. mangelnde Unternehmensführung, schlechte Geschäftszahlen, fehlende Kompetenzen etc. gelten. Als willkürliche und daher grundlose Kündigung würde z.B. eine Kündigung wegen Verweigerung der Erfüllung einer rechtswidrigen Anweisung seitens der Gesellschafter gelten.
Alexey Sapozhnikov Rechtsanwalt (DE)
Partner, Leiter Arbeits- und Ausländerrecht, Restrukturierung
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