Aufruhr in der russischen GeschäftsweltMichael Calvey

Aufruhr in der russischen Geschäftswelt

Seit bald 2 Monaten sitzt der Amerikaner Michael Calvey in Untersuchungshaft, weil er 2,5 Milliarden Rubel unterschlagen haben soll. Seine Festnahme löste in der Geschäftswelt große Resonanz aus. Zur Unterstützung des Investors äußerten sich mehrere Wirtschaftsvertreter. Der Chef des russischen Direktinvestitions-Fonds, Kirill Dmitriev, verbürgte sich persönlich für Calvey. Die Untersuchungsbehörde schlug heute vor, Calveys vorbeugende Maßnahme zu mildern und ihn unter Hausarrest zu stellen.

Die Untersuchungsbehörde forderte das Gericht in Moskau auf, den Amerikaner Michael Calvey, den Gründer des „Baring Vostok“-Investmentfonds aus dem Gefängnis zu entlassen und unter Hausarrest zu stellen. Das berichtet RIA Novosti mit Verweis auf den Pressesprecher des Gerichts, Yunon Tsarev. Tsarev zufolge wird das Gericht die Eingabe am Donnerstag, dem 11. April, prüfen.

„Ich habe bisher noch keine Dokumente zu diesem Thema gesehen“, sagte Dmitry Kletochkin, Partner von „Rustam Kurmaev & Partners“, die die Interessen von Calvey vertreten. Der Vertreter einer weiteren Verteidigungspartei, Egorov, Puginsky von „Afanasyev und Partners“, bestätigte, die entsprechenden Dokumente erhalten zu haben.

Calvey sitzt seit fast zwei Monaten im Gefängnis „Matrosskaya Tishina“. Er wurde Mitte Februar festgenommen und bis zum 13. April unter Arrest gestellt. Im selben Fall wurden fünf weitere Personen einen Tag vorher festgenommen. Es handelt sich dabei um den „Baring Vostok“ Investment Direktor, Ivan Zyuzin, den Partner des Finanzsektors des Investmentfonds, den Franzosen Philippe Delpale, einen anderen Investmentfonds-Partner, Vahan Abgaryan, den ehemaligen Direktor der Vostochny Bank, Alexei Kordichev, und CEO der „First Inkassofirma“, Maxim Vladimirov. Die Untersuchungshaft von Philippe Delpale wurde am Dienstag vom Gericht um drei Monate bis zum 14. Juli 2019 verlängert. Am Mittwoch werden die Fälle von Abgaryan, Zyuzin und Vladimirov verhandelt. Für alle hat die Untersuchungsbehörde eine Haftverlängerung beantragt. Kordichev soll wie Calvey unter Hausarrest gestellt werden, sagte Tsareva gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax. Dieser Fall wird ebenfalls am 11. April verhandelt.

Calveys Versetzung unter Hausarrest ist ein logischer Schritt, um offensichtlichen rechtlichen Verfahrensnormen nachzukommen, sagte der Wirtschaftsombudsmann Boris Titov. „Es ist jedoch nicht ganz klar, aufgrund welcher Logik, die anderen am Fall beteiligte Personen in Untersuchungshaft verbleiben sollen, die aufgrund des selben Artikels der Strafprozessordnung verhaftet wurden“, kommentierte er weiter.

Nach Ansicht des Vertreters von „Baring Vostok“ geht der Investmentfonds davon aus, dass Anträge auf Minderung der Präventivmaßnahmen auch in Bezug auf die anderen Angeklagten gestellt werden.

Der Fall „Baring Vostok“

Allen in den Fall verwickelten Personen wird vorgeworfen, 2,5 Milliarden Rubel von der „Vostochny“ Bank unterschlagen zu haben. Sie selbst erkennen die Schuld nicht an. Calvey erklärte vor Gericht, der Grund für die Anklage sei der Konflikt zwischen „Baring Vostok“ und anderen „Vostochny“ Aktionären gewesen.

Über die zyprische Gesellschaft „Evison Holdings“ kontrolliert „Baring Vostok“ 51,6% der „Vostochny“ Aktien. Der ehemalige Eigentümer der Bank „Uniastrum“ Artem Avetisyan besitzt über Finvision Holdings weitere 32,02%. Das Vorstandsmitglied von „Vostochny“, Sherzod Jussupow, hält 4,8%. Aufgrund der Aussagen von Jussupow hat das FSB einen Strafprozess eingeleitet. Laut Forbes ist Jussupow eine Schlüsselfigur in allen Projekten von Avetisyan und er hat viele einflussreiche Kontakte.

Der Fall ist mit einem im Jahr 2017 geschlossenen Deal verbunden. Dabei hat die „First Inkassofirma“ („Baring Vostok“ ist ihr Investor) als Entschädigung für eine Schuld von 2,5 Milliarden Rubel, der Vostochny Bank 59,9% der Luxemburger International Financial Technology Group (IFTG) übertragen. Nach Ansicht der Ermittler war der Wert des Aktienpakets stark überbewertet und betrug tatsächlich nur 600’000 Rubel.

Wer trat für Calvey ein?

Die Verhaftung des Gründers von „Baring Vostok“ – einem der ältesten in Russland tätigen Investmentfonds – stieß auf breite Resonanz. Viele Vertreter der Geschäftswelt äusserten ihre Unterstützung für die Angeklagten. „Baring Vostok“ ist der gesetzestreueste Investor in Russland“, schrieb der Gründer der Tinkoff Bank, Oleg Tinkoff. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Michael oder sonst jemand aus „Baring Vostok“ etwas Unanständiges oder Illegales macht“, sagte Yandex-Gründer, Arkady Volozh, („Baring Vostok“ investierte 2000 in Yandex und ging später wieder raus). Sberbank-Präsident German Gref beschrieb Calvey als „eine anständige und ehrliche Person, die viel unternommen hat, um Investitionen in das Land zu holen“. Der Geschäftsleiter von „ROSNANO“, Anatoly Chubais, nannte Calvey „einen der angesehensten Investoren“.

Der Generaldirektor des Russischen Direktinvestitionsfonds, Kirill Dmitriev, reichte einen Antrag ein, in der er die Verlegung von Calvey in den Hausarrest forderte. Dies wäre „sicherlich das richtige Signal für die Investmentgemeinschaft; für die Geschäftswelt“, sagte er. Der Fall „Baring Vostok“ könnte das Investitionsklima und die Attraktivität Russlands für ausländische Direktinvestitionen ernsthaft beeinträchtigen, warnten die französisch-russische Handelskammer und der Verband der europäischen Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung. Die Financial Times schrieb unter Berufung auf Quellen, dass US-Beamte und Leiter von amerikanischen Unternehmen das „St. Petersburg International Economic Forum“ in Reaktion auf die Verhaftung von Calvey boykottieren könnten.

„Baring Vostok“ schrieb einen offenen Brief an Präsident Wladimir Putin mit der Bitte, die Ermittlungen unter persönliche Kontrolle zu stellen. Putin selbst hat sich nicht öffentlich zum Strafverfahren geäußert. Bloomberg News schrieb mit Verweis auf ungenannte Quellen, dass Putin in einer geschlossenen Sitzung deutlich machte, dass er die Untersuchung für gerechtfertigt hält und eine mögliche Veruntreuung von 2,5 Milliarden Rubel nicht ignoriert werden kann.

[bz/russland.CAPITAL]

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