Mehr Sicherheit in der Atomindustrie: Toleranter Brennstoff – und alles wird gut?

Mehr Sicherheit in der Atomindustrie: Toleranter Brennstoff – und alles wird gut?

Beim internationalen Forum der Atomindustrie ATOMEXPO-2018 in Sotschi (russland.NEWS berichtete) sorgte die Vorstellung eines so genannten toleranten nuklearen Brennstoffs für großes Aufsehen und auch bei den Experten auf dem gegenwärtig stattfindenden Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum ist er ein Thema.

Sollte mit dem toleranten Brennstoff tatsächlich der Durchbruch gelingen, der alle Diskussionen um die Sicherheit beim Betrieb von Atomkraftwerken sowie bei der Lagerung der verbrauchten Brennstäbe verstummen lässt und zudem den Nutzungsgrad der Kernmaterialien so weit steigert, bis das uranhaltige Material nahezu vollkommen „ausgelutscht“ ist und gefahrlos entsorgt werden kann?

Bereits 2019 könnte in einem der kommerziellen Atomkraftwerke in Russland ein solcher toleranter, d. h. unfallresistenter, Kernbrennstoff getestet werden, kündigte der Vizepräsident für Forschung und Entwicklung des Brennstoffunternehmens TWEL, Alexander Ugrjumow auf dem Forum an. Zuvor werde die innovative Brennstofflösung am Forschungsinstitut für Atomreaktoren (SSC RIAR) in Dimitrowgrad getestet.

Das Hauptziel der Entwicklung des toleranten Brennstoffs beschrieb der Atomenergetiker so: „Vor allem versuchen wir, die Menge an Wasserstoff zu reduzieren, die während eines schweren Unfalls produziert würde – gerade das war der Grund für die Explosion im AKW Fukushima“.

Ein toleranter Brennstoff müsse zu allererst die Zuverlässigkeit des Betriebs von Brennelementen verbessern, meinte auch Rainer Klute, Vorsitzender des deutschen Verbands Nuklearia, dem Fachleute im Bereich Kernenergie angehören. „Mit ATF – Accident Tolerant Fuel – lässt sich die Sicherheit auch bereits bestehender Kernkraftwerke weiter verbessern“, ist er überzeugt. Allerdings ersetzen tolerante Brennstoffe keine anderen Sicherheitsmaßnahmen, so dass an dieser Stelle kaum Einsparpotenzial besteht, räumte Klute ein. Doch nach seiner Einschätzung ist die Sicherheit von Kernkraftwerken schon jetzt so hoch wie in keiner anderen Industrie.

Für ihn hat die Innovation aber natürlich auch eine wirtschaftliche Komponente: „Besser zu sein, reicht möglicherweise nicht aus: Es muss sich auch rechnen. Wenn man in der ATF-Herstellung preiswertere Materialien und innovative Fertigungstechniken einsetzen kann, können die Kosten sinken, und der Betrieb wird wirtschaftlicher. Denn robustere Brennelemente können länger im Reaktor bleiben. Sie nutzen den Brennstoff besser aus und hinterlassen weniger Abfälle“.

Dafür brauche es aber eine neuartige Fertigungstechnik und auch Erfahrung im Umgang damit – erst danach könne man mit Zuversicht  über die Rentabilität des neuen toleranten Brennstoffs im Vergleich zu konventionellen Brennstoffen sprechen.

Zur Frage, was mit den verbrauchten Brennstäben geschieht, wurden auf dem Forum mehrere Varianten der Wiederaufbereitung und Endlagerung diskutiert. Die in Russland in der Entwicklung befindliche Technologie der nahezu vollständigen Nutzung des Brennstoffs mit der Möglichkeit der Wiederaufbereitung oder einer, wie versprochen wird, gefahrlosen Lagerung könnte in der Tat zu einer neuen Qualität bei der Nutzung von Atomenergie führen.

Auf diesem Weg ist der tolerante Brennstoff ein Schritt zur Erhöhung der Sicherheit von Kernkraftwerken, aber er gibt noch lange keine Entwarnung für all jene, die heute noch der Atomenergie skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen.

 

[hh/russland.NEWS]

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